WHKT-REPORT – AUSGABE 11/2025

Liebe Leserinnen und Leser,

bessere Rechtssetzung ist die Verheißung jeder neuen Amtsperiode der Europäischen Kommission. Regelmäßig werden neue Instrumente eingeführt, die Regulierung intelligenter, einfacher, besser machen sollen. Am Ende überwiegt in der Wahrnehmung der Betroffenen indes der immergleiche Eindruck: viele Rechtsakte mit zum Teil höchst komplexen Anforderungen. Das heißt, spürbar ändert sich kaum etwas – jedenfalls nicht für die Betriebe.

Dass sich der Befund gerade grundlegend ändert, wäre zu viel versprochen. Aber es gibt interessante Entwicklungen. Weithin bekannt sind die von der Europäischen Kommission vorgelegten Omnibusse, also Rechtsakt übergreifende Vereinfachungspakete, etwa zur Nachhaltigkeitsberichterstattung oder zum Umweltrecht. Derer soll es im Jahr 2026 noch Weitere geben – unter anderem zum Energierecht. 

Das eigentlich Spannende sind indes Entwicklungen, die sich jenseits von öffentlichkeitswirksamen Aktionen tun. Beispielweise führt die Europäische Kommission jetzt so genannte Umsetzungsdialoge durch und die Dienststellen laden ein zu einem »Realitätscheck« zur Energiekennzeichnung. In beiden Fällen geht es darum, sich mit den Wirkungen auf die Normanwenderinnen und -anwender auseinanderzusetzen. Regulierung vom Anwender aus zu betrachten und Vereinfachungen anhand von Prozessen zu denken, statt sich nur an Regulierungszielen zu orientieren, sind langjährige Forderungen des Handwerks. Der Wandel im »Maschinenraum« der Kommission ist noch kein Durchbruch. Aber er ist ein Hoffnungsschimmer.

Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre mit unserem WHKT-Report.

Hauptgeschäftsführer Dr. iur. Florian Hartmann | Dr. Jeanine Bucherer

Europa:

Zukunft der Kohäsionsförderung

Im Jahr 2028 startet planmäßig eine neue EU-Förderperiode. Dies geht einher mit dem Start des so genannten mehrjährigen Finanzrahmens (MFR), dem EU-Haushaltsrahmen für die Jahre 2028–2034.

Die im Sommer 2025 von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschläge sehen erhebliche strukturelle und thematische Änderungen vor. Ende Oktober 2025 hat sich die WHKT-Vollversammlung in einer Grundsatzposition zu den Vorschlägen geäußert. Darin fordert die WHKT-Vollversammlung

von Europäischem Parlament und Rat: 

  • eine Politik, die regionale Vielfalt respektiert, Handwerk und Mittelstand stärkt und Innovationen fördert;  
  • einen stärkeren KMU-Fokus in den europäischen Förderprogrammen;
  • eine regionale Steuerung in der Kohäsionspolitik – fördertechnisch und thematisch;
  • fondsübergreifend gleiche Regeln statt der Schaffung unübersichtlicher Dachprogramme wie dem Wettbewerbsfonds;
  • Investitionen in Ausbildung und Fachkräfte unter Wahrung der Kompetenzordnung;
     

von Bund und Land NRW

  • das gemeinsame Eintreten für ein mittelstandsfreundliches Design der europäischen Förderkulisse;
  • Initiativen, die helfen, den Mehrwert der eigenständigen Aufgabenwahrnehmung der Regionen für die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu präzisieren;
  • frühzeitige strategische Ansätze zu entwickeln, wie nationale und regionale Haushalte auf Veränderungen der europäischen Förderpolitik reagieren können, zum Beispiel im Hinblick auf die ÜLU-Förderung.

Die WHKT-Grundsatzposition ist zu finden unter www.whkt.de/positionen
 

WHKT-Stellungnahme:

Handwerk sieht die geplante Zusammenlegung von Arbeitsgerichten in NRW kritisch

Die Justiz diskutiert zur Zeit über mögliche Reformen der NRW-Arbeitsgerichtsbarkeit, um diese zukunftssicher aufzustellen, ihre besonderen Stärken zu erhalten und sie zielgerichtet als eigenständige Gerichtsbarkeit weiterzuentwickeln. Der WHKT begrüßt die Ziele grundsätzlich und wirbt in seiner Stellungnahme dafür, dass diese Strukturreformen nicht ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen getroffen werden, sondern auch die Interessen der Parteien im Sinne des effektiven Rechtsschutzes wahren sollten.

Wichtig ist die Beibehaltung der örtlichen Erreichbarkeit der Arbeitsgerichte für alle rechtssuchenden Parteien, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, deren Prozessbevollmächtigten und ehrenamtliche Richter. Dies gilt insbesondere für Güte- und Kammerverhandlungen, die unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten durchgeführt werden und wobei die mündliche Verhandlung am Gerichtssitz und das persönliche Erscheinen zentrale Elemente im arbeitsgerichtlichen Verfahren sind.

Das Positionspapier ist zu finden unter www.whkt.de/positionen.

WHKT-Position:

Das handwerkliche Sachverständigenwesen: Die öffentliche Bestellung und Vereidigung als Qualitätssiegel

Die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen gehören zu den wichtigsten Aufgaben der Handwerkskammern. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige sind zuverlässige fachliche Ansprechpartner für Justiz und private Auftraggeber und tragen mit ihrem Gutachten zur Entscheidungsfindung und zur Beilegung von Streitigkeiten bei.

Die WHKT-Vollversammlung hat ein Papier zum handwerklichen Sachverständigenwesen beschlossen und weist in ihrem Papier auf drei zentrale Herausforderungen im Sachverständigenwesen hin: Nachwuchsgewinnung, Qualitätssicherung und Digitalisierung.

Es ist zu beobachten, dass die Anzahl an Sachverständigen kontinuierlich abnimmt. Um diesem Trend entgegenzusteuern, ist eine zentrale Herausforderung die Nachwuchsgewinnung. Gleichzeitig genießt die hohe Fachlichkeit von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen eine große Anerkennung und Wertschätzung. Diesen Anspruch möchte das Handwerk über die Qualitätssicherung weiterhin stärken. Mit der Weiterentwicklung digitaler Kommunikationswege und Tools wollen die Handwerkskammern das Sachverständigenwesen zukunftsfähig aufstellen und gestalten.

Das Positionspapier ist zu finden unter www.whkt.de/positionen.

WHKT-Konjunkturbarometer Nr. 94 - 02/2025 erschienen:

Seitwärtsbewegung setzt sich fort

Die Konjunktur im nordrhein-westfälischen Handwerk zeigt in diesem Herbst im Vergleich zum Vorjahr weiterhin kaum Dynamik. Seit Herbst 2023 verzeichnet der Geschäftsklimaindex kaum noch Bewegung – die wirtschaftliche Entwicklung im Handwerk stagniert und liegt klar unter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre.

Ausschlaggebend für die konjunkturelle Seitwärtsbewegung ist ein nach wie vor verhaltenes Konsum- und Investitionsklima – sowohl bei Privatkunden als auch bei gewerblichen Kunden. Insbesondere im Bausektor ist eine spürbare Trendwende bisher ausgeblieben. Hinzu kommt die Krise der Industrie, die sich über die Wertschöpfungskette nachgelagert auch auf das Handwerk auswirkt und die insbesondere den Handwerken für den gewerblichen Bedarf mit ihren vielen industriellen Zuliefererbetrieben zusetzt. Dementsprechend fällt das Geschäftsklima in dieser Gruppe auch am niedrigsten aus.

Positiv vom Gesamttrend abheben können sich nach wie vor einige Klimahandwerke, wie Dachdecker, Kälteanlagenbauer oder Installateure und Heizungsbauer, sowie einige personenbezogene Dienstleistungshandwerke.

Beim Gesamthandwerk lässt auch der Blick nach vorne keinen baldigen Aufschwung erwarten. Im Saldo gibt es mehr Betriebe, die eine Verschlechterung der Geschäfts-, Umsatz- und Auftragsentwicklung erwarten als solche, die von einer Verbesserung im nächsten Halbjahr ausgehen.

Vor diesem Hintergrund erwartet das nordrhein-westfälische Handwerk dringend handfeste Konjunkturimpulse und eine Verbesserung der Standortbedingungen durch die Bundesregierung. Priorität muss dabei die Stabilisierung der Sozialabgaben haben, damit die Lohnnebenkosten nicht weiter steigen und die personalintensiven Handwerksleistungen verteuern.  

Der WHKT dankt den 5.690 Handwerksbetrieben aus über 40 Gewerken, die sich dieses Mal an der Konjunkturumfrage der sieben NRW-Handwerkskammern als Grundlage für dieses Konjunkturbarometer beteiligt haben.

Das aktuelle Konjunkturbarometer mit dem Titel »Seitwärtsbewegung setzt sich fort« ist zu finden unter www.whkt.de/konjunkturbarometer.

Berufliche Bildung auf Promotionsniveau:

WHKT lädt zu weiteren Austauschen im DQR8-Forum ein

Der WHKT setzt die Reihe der DQR8-Foren fort und lädt zu weiteren Austauschterminen ein. Im Mittelpunkt steht das InnoVET PLUS-Projekt DQR-8-BB-EXZELLENZ, in dem die Verbundpartner gemeinsam eine Prüfungsregelung für eine berufliche Qualifikation auf DQR-Stufe 8 entwickeln. Die DQR-Stufe 8 ist bislang der Promotion im akademischen Bereich vorbehalten – eine Lücke, die das Projekt durch die Entwicklung eines beruflichen Weges auf dieses Niveau schließen möchte (s. Schaubild unter www.whkt.de/themen/bildung).

Die Stufe 8 beschreibt Kompetenzen, die zur Gewinnung von Forschungserkenntnissen in einem wissenschaftlichen Fach oder zur Entwicklung innovativer Lösungen und Verfahren in einem beruflichen Tätigkeitsfeld benötigt werden. Die Anforderungsstruktur ist durch neuartige und unklare Problemlagen gekennzeichnet. Diese ODER-Formulierung macht deutlich: Das höchste Qualifikationsniveau im deutschen Bildungssystem kann sowohl über den akademischen als auch über den beruflichen Bildungsweg erreicht werden.

Bereits im August 2025 lud der WHKT gemeinsam mit der IHK Arnsberg Vertreterinnen und Vertreter der Handwerkskammern sowie der Industrie- und Handelskammern zu drei kompakten Online-Sitzungen ein. Die Reihe soll nun fortgeführt und um weitere Akteurinnen und Akteure aus der Bildungslandschaft erweitert werden, um den fachlichen Dialog noch stärker zu vertiefen.

Interessierte können sich über folgenden Link zu einem Termin (12. Dezember 2025 oder 12. Januar 2026) anmelden: https://umfrage.handwerk.nrw/c/DQR8Forum.
Das 1-stündige DQR8-Forum findet digital via Microsoft Teams statt.

Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Weitere Informationen zum Projekt über www.dqr8.de.

WHKT erstmals in der Bewertungskommission:

28. Landeswettbewerb »Unser Dorf hat Zukunft«

Landesbewertungskommission bei der Preisverleihung | Foto: J Film & Fotografie / Jannik Geisthoff 2025

Im November fand die feierliche Preisverleihung für den 28. Landeswettbewerb »Unser Dorf hat Zukunft« mit Landwirtschaftministerin Silke Gorißen statt. 33 NRW-Dörfer wurden mit Bronze, Silber und Gold ausgezeichnet. Die vier Golddörfer Boisheim, Darup, Helberhausen und Lenne qualifizieren sich für den Bundeswettbewerb im kommenden Jahr. Der WHKT gratuliert allen Dörfern und wünscht den vier Golddörfern viel Erfolg im Bundeswettbewerb.

Die Auszeichnung erfolgte auf Basis einer insgesamt drei-wöchigen Bereisung durch die Bewertungskommission bei den teilnehmenden Dörfern. Die Dörfer wurden in vier Bewertungsbereichen beurteilt: 1) Ziel- und Konzeptentwicklung, wirtschaftliche Initiativen und Verbesserung der Infrastruktur, 2) Soziales und kulturelles Leben, 3) Wertschätzender Umgang mit Baukultur, Natur und Umwelt und 4) Gesamteindruck.

Der WHKT hat erstmals in der Bewertungskommission mitgewirkt und sich mit seinen Erfahrungen mit der Stadt- und Regionalentwicklung in ländlichen Räumen im Bewertungsbereich »Wirtschaftliche Initiativen und Verbesserung der Infrastruktur« eingebracht. Wir bedanken uns beim Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW sowie bei der Landwirtschaftskammer NRW für die besondere Gelegenheit.

WHKT-Projekt »Machbarkeitsstudie«:

Erstrundenworkshops mit Praktikerinnen und Praktikern aus dem Handwerk Anfang 2026

Anfang November stellte die WHKT-Projektleiterin der Machbarkeitsstudie im Rahmen des jährlich stattfindenden WHKT-Seminars für Vorstandsmitglieder der Arbeitnehmerseite aus den NRW-Handwerkskammern dem Teilnehmerkreis das WHKT-Projekt sowie erste Lösungsansätze zu Wegen der Unterstützung von selbständigen Frauen im Handwerk während der Schwanger- und Mutterschaft vor.

Ziel war es unter anderem, erste Lösungsansätze zu diskutieren und diese weiter zu optimieren. Daher wurden die Lösungsansätze genau unter die Lupe genommen und aus Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beleuchtet. Wichtig ist aus ihrer Sicht: Durch die vorgeschlagenen neuen Maßnahmen soll keine Übervorteilung gegenüber den Arbeitnehmerinnen geschaffen werden. Dafür spielt die Art der Finanzierung eine entscheidende Rolle.

Der Austausch zum Thema soll im kommenden Jahr fortgesetzt werden. Anfang 2026 wird der WHKT weitere Workshops mit Praktikerinnen und Praktikern aus dem Handwerk durchführen, um die Umsetzbarkeit und Akzeptanz der entwickelten Lösungsmodelle zu testen.

Das Projekt wird gefördert durch das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.

Aktuelle Projektinformationen sind unter www.machbarmachen-handwerk.de abrufbar.

Jürgen-Johannes Lau verabschiedet:

Geschäftsführerwechsel in der LGH

Jürgen-Johannes Lau, bisheriger Geschäftsführer der LGH, Peter Eul, LGH-Vorsitzender, Oliver Steinke, LGH-Geschäftsführer, Rüdiger Otto, stellvertretender LGH-Vorsitzender, Dr. Florian Hartmann, Hauptgeschäftsführer der LGH (v. r. n. l.) | Foto: LGH

Oliver Steinke wurde am 23.10.2025 von der Mitgliederversammlung der Landes-Gewerbeförderungsstelle des nordrhein-westfälischen Handwerks (LGH) zum neuen Geschäftsführer der LGH gewählt. Begleitet von den Glückwünschen der Anwesenden nahm er die Wahl dankend an.

Herr Jürgen-Johannes Lau, bisheriger Geschäftsführer der LGH, trat zum 31.10.2025 nach über 30 Jahren in der LGH seinen Ruhestand an. Im Anschluss an die Mitgliederversammlung wurde er feierlich verabschiedet. Laudatoren waren Herr Matthias Heidmeier, Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW, der Vorstand der LGH in Person des Vorsitzenden Präsident Peter Eul, seines Stellvertreters Präsident Rüdiger Otto sowie des Hauptgeschäftsführers der LGH, Dr. Florian Hartmann. Alle Redner würdigten das langjährige Engagement von Herrn Lau, seine mannigfaltigen Erfolge und seinen maßgeblichen Einfluss auf die positive Entwicklung innerhalb der Gewerbeförderung des nordrhein-westfälischen Handwerks. 

Die gesamte Belegschaft der LGH nahm ebenfalls an der Verabschiedung teil – ein sichtbares Zeichen der Wertschätzung gegenüber Herrn Lau als Geschäftsführer und ebenso als Mensch. Nun hat er den »Staffelstab« an Herrn Steinke übergeben, der sich in einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren unter Beteiligung des LGH-Vorstandes durchgesetzt hat. Herr Steinke ist bereits seit über 20 Jahren Mitarbeiter der LGH und war dort in verschiedenen Positionen tätig. Zuletzt leitete er die Abteilung Wirtschaftsförderung und hat zum 01.11.2025 seine neue Funktion als Geschäftsführer der LGH angetreten.

IQ NRW – West:

VDI-Xpand beim Wettbewerb »Zusammen wachsen« ausgezeichnet

Der WHKT koordiniert das Regionale Integrationsnetzwerk IQ NRW – West. Das IQ NRW – West Teilvorhaben VDI-Xpand gehört im Herbst 2025 zu den Preisträgerinnen und Preisträgern des Wettbewerbs »Zusammen wachsen: Gute Ideen für Integration am Arbeitsmarkt«. Der Wettbewerb identifiziert und würdigt herausragende Initiativen für die Integration internationaler Fach- und Arbeitskräfte in Deutschland. Die bundesweite Suche nach Best-Practice-Beispielen und deren öffentlichkeitswirksame Verbreitung stärke die Willkommenskultur und mache erfolgreiche Integrationsansätze sichtbar, so die Organisatorinnen und Organisatoren.

»Zusammen wachsen« ist ein Projekt der Initiative »Deutschland – Land der Ideen« und wurde durch die Bertelsmann Stiftung, den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Stiftung Mercator ermöglicht. Aus über 250 Bewerbungen hat die Jury 50 Preisträgerinnen und Preisträger ausgewählt, die mit ihren innovativen Ansätzen beispielhaft zeigen, wie Integration am Arbeitsmarkt in Deutschland gelingen kann.

Mit VDI-Xpand – Building bridges for migrant engineers will der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) einen Beitrag zur erfolgreichen Integration zugewanderter Ingenieurinnen und Ingenieure in Arbeitswelt und Gesellschaft leisten. Im Zentrum steht ein online durchgeführtes Mentoring-Programm. In diesem begleiten Ingenieurinnen und Ingenieure mit Berufserfahrung in Deutschland zugewanderte Ingenieurinnen und Ingenieure ehrenamtlich und stehen ihnen mit Rat und Tat bei der Jobsuche sowie beim Ankommen im Job zur Seite.

Eine Übersicht über »Zusammen wachsen« und seine Preisträgerinnen und Preisträger gibt es auf der Website des Wettbewerbs.

Mit Wissen zum Bildungsabschluss? Prüfen im KI-Zeitalter

Ein Diskussionsbeitrag von Roland Benedikter und Andreas Oehme

Künstliche Intelligenz erzeugt neue Umgangsformen mit Wissen. Wissensverteilung und Wissenspraktiken finden in KI-Gesellschaften neue Mechanismen. Sie lösen sich aus bisherigen Kreisläufen und Regulierungen heraus. Das erfolgt nationen- und systemübergreifend. Bisher erfolgreiche Verfahren zur Wissensüberprüfung sind darauf wenig vorbereitet. Das Abprüfen von Wissen ist ein wesentlicher Bestandteil des Prüfungswesens zur Verleihung von Schul- und Bildungsabschlüssen in allen großen Nationen. Doch stellt sich die Frage, ob es so bleiben kann.

So wird in den großen deutschen Verbänden der Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMUs) seit Monaten intensiv diskutiert, wie man im Bereich von Prüfungen heutzutage täuschen kann, Aufgaben aus Prüfungen »schmuggelt«, Fotos mit Brillen erstellt, sich mit Hörgeräten, die man nur mit einem Magneten aus dem Ohr wieder herausbekommt, Informationen geben lässt und so weiter. Die neuen KI-Brillen mit Displays im Glas werden noch viel weitergehende Diskussionen aufwerfen. Dann wird es hoffentlich noch stärker eine Grundsatz-Diskussion darum geben, wie man welche Kompetenzen richtig misst. Das könnte die Qualität von Prüfungen deutlich erhöhen. Verbunden mit etablierten virtuellen Lernbegleitern stellt sich die Frage der Prüfungen im Bildungssystem sowieso irgendwann neu. 

Der wichtigste Aspekt bei alledem ist aber mittel- bis langfristig ein anderer. Solange man technische Unterstützung in Form von Handy, In-Ear-Technik, KI-Stift, Brille etc. nutzt, ist es eine (Vor)Täuschung eigener Kompetenzen. Was aber geschieht, wenn der Mensch sich diese Technik im Sinne des Bio-Hackings implantiert bzw. über Schnittstellen aus dem Körper auf Externes zugreifen kann? Ist es dann eine menschliche Leistung? Wir hätten dann keine Cyborgs in der bisherigen Definition, weil nur »ganz wenig« Technik im Körper wäre, wobei aber trotzdem entscheidende Veränderungen stattfinden. Werte von Lernen, Bildung und Erfahrung stellten sich ganz neu. Aus heutiger Sicht ist diese Welt gar nicht mehr so weit weg. Haben wir darüber bereits ausreichend nachgedacht? Ist das, was wir »rationale Öffentlichkeit« oder »öffentlichen Raum« nennen, darauf vorbereitet?

Aktuelle »transhumanistische« Entwicklungen zeigen ganz konkret, dass immer mehr der scheinbaren Utopien im Verschmelzungsbereich zwischen Mensch und Technik konkret möglich werden. So zeigt die bisherige Erfahrung mit Gehirnimplantaten von Elon Musks Firma Neuralink bei den ersten Patienten, dass Informationsübertragung von Gehirnen auf Maschinen bereits relativ stabil funktioniert. Die Ankündigung lautet, dass das bald auch umgekehrt der Fall sein wird: Informationsübertragung von der Maschine ins menschliche Gehirn. Vorboten hat man auch beim letzten Cybathlon: bei der alle vier Jahre stattfindenden globalen Cyborg-Olympiade an der weltweit führenden Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH Zürich gesehen, wo technologisch »aufgerüstete« Menschen (»enhanced humans«) gegeneinander in Mensch-Maschine-Hybrid-Wettbewerben antraten. Es dürfte wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis die weitere Konkretisierung der Verschmelzung von Mensch und Technologie für Prüfungs- und Arbeitszusammenhänge so relevant wird, dass bisherige Verfahren unzuverlässig werden, ja vielleicht sogar unzulässig.
 

Wohin verweist diese Entwicklung? 
Soweit wir heute sagen können, möglicherweise auf eine wesentliche Veränderung. Wahrscheinlich macht es in der Zukunft kaum Sinn, Wissen isoliert zu prüfen. Es wird auf das Können, also auf Handlungskompetenz ankommen. Und das ist ein nicht ganz anderes, aber doch verschiedenes Paar Schuhe. Wie es Skispringlegende Toni Innauer einmal ausdrückte: zu wissen, wie man die Sprungschanze hinunterspringt, ist eines. Aber um es zu tun, muss man es können. Und das ist tatsächlich etwas anderes. Diese Unterscheidung könnte den Weg für ein neues Prüfwesen in allen Bildungsbereichen ebnen. Schon heute gibt es Projektarbeiten als Hausarbeiten, die nicht bewertet werden, sondern nur als Basis für ein zu bewertendes Fachgespräch erstellt werden. Vermutlich braucht es künftig die smarte Verbindung von Wissen und Können, und zwar unter Hinzunahme von – und Zusammenarbeit mit – intelligenter Technologie. Prüfungen könnten künftig das Dreifach-Hybrid aus Wissen, Können und Nutzung intelligenter Technologien als neuen Bezugsrahmen für Leistungsbewertungen heranziehen. Vielleicht sind damit sogar genauere bzw. aussagekräftigere Ergebnisse zu erzielen als mit bisherigen Verfahren. Obwohl diese Überlegungen zum heutigen Tag zweifellos spekulativ und experimentell bleiben, könnten sie schneller zur Realität werden, als wir denken.


Der Beiträg wurde erstveröffentlicht in der NZZ vom 12.11.2025


Roland Benedikter ist Politikwissenschaftler und Soziologe bei Eurac Research in Bozen, Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste und war 2019-2023 Mitglied des BMBF -»Zukunftskreises« für die deutsche Bundesregierung. Andreas Oehme ist Bildungsexperte und Geschäftsführer des Westdeutschen Handwerkskammertags (WHKT).