WHKT-REPORT Ausgabe 12/2020

Vorwort


Liebe Leserinnen und Leser,

weite Teile des Handwerks können, wollen und dürfen auch unter Pandemie-Bedingungen weiterarbeiten. Handwerkerinnen und Handwerker sorgen dafür, dass unser Land am Laufen bleibt.

Doch auch Handwerksbetriebe sind vom Lockdown betroffen. Erneut müssen nach den Kosmetikern nun auch die Frisöre schließen. Besonders betroffen sind zudem handwerkliche Mischbetriebe mit Ladengeschäften oder mit zum Beispiel Café- und Catering-Angeboten.

Für diese Handwerksunternehmen und ihre Beschäftigten, die zum Teil auf die umsatzstärksten Tage des Jahres verzichten müssen, hat der Stillstand gravierende Folgen. Sie benötigen erneut eine schnelle und unbürokratische Unterstützung, für die wir uns fortwährend einsetzen. 

Die betroffenen Betriebe wenden sich derzeit in großer Zahl an unsere Betriebsberatung. Sie wollen wissen, welche Möglichkeiten der Hilfe ihnen jetzt zur Verfügung stehen. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an die Betriebsberaterinnen und Betriebsberater in der Handwerksorganisation für die außergewöhnliche Leistung in diesem Jahr. 

Ebenfalls von den Corona-Beschränkungen betroffen ist die Bildungsarbeit in der Handwerksorganisation. Präsenzunterricht ist grundsätzlich bis zum 10. Januar 2021 nicht möglich. Prüfungen und ihre Vorbereitung sind allerdings unter strengen Auflagen durchführbar, was wir im Interesse der Zukunftspläne junger Menschen begrüßen. Es wird in den kommenden Wochen weiterhin darauf ankommen, dass wir Schaden von der beruflichen Bildung abwenden. 

Auch für den WHKT neigt sich ein ereignisreiches Jahr dem Ende. Das Jahr war und ist geprägt vom Corona-Krisenmanagement. Wir freuen uns sehr über die partnerschaftliche Zusammenarbeit im Handwerk, die vieles für Betriebe in Not ermöglicht hat. Gleichzeitig sind wir bei den großen Zukunftsthemen des Handwerks vorangekommen und konkreter geworden: Nachhaltigkeit, Fachkräftesicherung und Digitalisierung sind wichtige Schwerpunkte auch im kommenden Jahr. 

Besonders freue ich mich über die Stärkung des ehrenamtlichen Engagements, mit der wir begonnen haben. Der Aufbau der Ehrenamtsakademie ist eine große Chance für uns – auch damit wir mehr junge Menschen, mehr Frauen und mehr Menschen mit Migrationserfahrung für das Handwerk gewinnen. 

Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Übergang in ein gesundes Jahr 2021.

Matthias Heidmeier
Hauptgeschäftsführer

Ehrenamtsakademie des Handwerks in NRW:

Digitales Auftakttreffen erfolgreich durchgeführt

Die WHKT-Vollversammlung hat im Oktober eine Grundsatzposition für ehrenamtliches Engagement im Handwerk in NRW abgestimmt. Bestandteil dieser Vereinbarung ist die Vorbereitung einer Ehrenamtsakademie. Eine entsprechende Initiative konnte der WHKT bereits mit finanzieller Unterstützung des Wirtschaftsministeriums NRW Ende 2019 starten. Corona-bedingt hat es allerdings Verzögerungen bei der Umsetzung gegeben, so dass die maßgeblichen Schritte nunmehr 2021 stattfinden.

Der Auftaktworkshop unter Beteiligung ehrenamtlicher Entscheidungsträger aus den Kammerorganisationen und Landeshandwerksorganisationen sowie der Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt bei der Staatskanzlei NRW, Andrea Milz, hat indes am 9. Dezember 2020 dennoch stattfinden können – coronabedingt in digitaler Form und mit großer positiver Resonanz aller Beteiligten. 

In diesem Rahmen hob WHKT-Präsident Hans Hund die große Bedeutung des Ehrenamts für das Handwerk hervor: »Das Ehrenamt ist das Rückgrat unserer Selbstverwaltung im Handwerk. Es sorgt dafür, dass wir in den Kammern und anderswo so praxisnah entscheiden und ebenso praxisnah die Aus- und Weiterbildung organisieren können. Wir brauchen mehr Zeichen der Wertschätzung für dieses Ehrenamt, damit wir auch zukünftig genug Handwerkerinnen und Handwerker haben, die sich engagieren.«

Auch Staatssekretärin Andrea Milz begrüßte die Gründung der Ehrenamtsakademie Handwerk in NRW. »Sie bietet die Chance, über die Wünsche und Anforderungen des Ehrenamtes und die spezifischen Bedarfe des Handwerks in den Austausch zu kommen und zugleich Wertschätzung für das ehrenamtliche Engagement auszudrücken. Auch für Qualifizierung und Unterstützung durch das Hauptamt soll gesorgt werden – beides Punkte, die zum Gelingen des Engagements wichtig sind!«

»Wir wollen erreichen, dass sich mehr junge Leute, mehr Frauen und mehr Menschen mit Migrationserfahrung für das Handwerk stark machen. Unser Motto: „Freiwillig vorn. Aus Überzeugung gut.«, resümierte WHKT-Hauptgeschäftsführer Matthias Heidmeier, der den Auftakt moderierte.

Damit die Teilnehmenden des Workshops eine erste Übersicht davon erhielten, wie Organisationen und Institutionen bereits heute Ehrenamtliche im Handwerk unterstützen, wurden neben der geplanten Konzeption für die Vorbereitung der Akademie im Jahr 2021 die Ergebnisse einer Online-Befragung vorgestellt. Diese ging gleichfalls der Fragestellung nach, mit welcher Akzeptanz zu rechnen ist. 


Blitzlichter aus der Online-Befragung:
Über 90 Prozent der Befragten werten die Etablierung einer Ehrenamtsakademie im Handwerk als positiv. In diesem Zusammenhang sei vor allem die Anknüpfung an bereits vorhandene Angebote entscheidend, so der Großteil der Befragten. Nach den Zielgruppen der Ehrenamtsakademie gefragt, wurden vor allem folgende Gruppen genannt: Vorstandsmitglieder, Obermeister/innen, Lehrlingswarte, Mitglieder von Prüfungs- und Berufsbildungsausschüssen. Ein aktuelles Defizit, so die Befragung, seien Angebote für Interessenten und Einsteiger/innen im Ehrenamt. 

Als weitere Bedarfe wurden seitens der Befragten folgende Themenbereiche mit Blick auf eine zu etablierende Ehrenamtsakademie genannt (ohne Gewichtung): Umgang mit Medien/Öffentlichkeitsarbeit/Presse/Rhetorik/Moderation und Gremienarbeit +++ Kameralistik, Satzungs- und Haushaltsrecht, Handwerksordnung +++ Selbstverwaltung des Handwerks +++ Vernetzungstreffen, Social Media und Erfahrungsaustausche +++ Kontakt und Umgang mit Vertretern aus der Politik +++ Meinungsbildung +++ Veranstaltungen und Expertenaustausche zu Zukunftsthemen +++ Informationsquellen und Recherche.

Im nächsten Schritt bereiten die Projektverantwortlichen beim WHKT nun auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse aus der Umfrage und dem Auftaktworkshop für 2021 verschiedene Pilotworkshops thematisch vor, die dann in der Akademie Schloss Raesfeld stattfinden sollen. 

Die aktuelle Phase der Vorbereitung der Ehrenamtsakademie des Handwerks in NRW soll im November 2021 abgeschlossen sein.

Internationaler Tag des Ehrenamts:

EHRENSACHE – Handwerk dankt dem Ehrenamt

Am  5. Dezember 2020 war internationaler Tag des Ehrenamts, der weltweit freiwilliges Engagement und dessen Bedeutung ehrt. Unschätzbar, im Coronajahr 2020 und aus Tradition untrennbar mit dem Handwerk verbunden. Grund genug für den Westdeutschen Handwerkskammertag (WHKT), auf das Ehrenamt im Handwerk und dessen immensen Wert zu schauen.

Auf beiden Seiten des Arbeitsmarktes setzen sich Handwerkerinnen und Handwerker in den Organisationen, Bildungseinrichtungen und Ausschüssen für die Qualität der beruflichen Bildung, Integration, Fairness sowie viele weitere Themen ein. Ihr Ziel: Bestmögliche Rahmen- und Arbeitsbedingungen für Handwerkerinnen und Handwerker, für Betriebe sowie für den Wirtschaftszweig Handwerk insgesamt. Ob als Lehrlingswart, Obermeister/in, Prüfer/in, Kammerpräsident/in oder Mitglied eines Ausschusses oder einer Vollversammlung, das Ehrenamt steht im Handwerk in der ersten Reihe, entscheidet, berät, hält zusammen und unterstützt. Freiwillig und aus Überzeugung.

»Das Ehrenamt trägt in der wirtschaftlichen Selbstorganisation des Handwerks eine Menge Verantwortung – für Unternehmen und deren Arbeitnehmerschaft gleichermaßen. Enorm viel Zeit, Wissen und Können bringen Ehrenamtliche ein und sorgen dafür, dass in der aktuellen Krise das Handwerk stabil bleibt, ausbildet und die Berufspraxis in politische Entscheidungsprozesse einfließt. Und zwar nicht nur für heute und morgen, gerade auch für die Zukunft: für nachhaltiges Wirtschaften, faire Beschäftigung, Digitalisierung, ein starkes Europa, einen leistungsfähigen Fachkräftenachwuchs und soziale Verantwortung. Mein Dank und Respekt ans Ehrenamt, gerade heute, am internationalen Tag des Ehrenamts. Handwerk ist stolz auf sein Ehrenamt. Und das sagen und zeigen wir gern«, so Matthias Heidmeier, Hauptgeschäftsführer des WHKT.

 

So unterstützt der WHKT handwerkliches Ehrenamt:

  • Im Rahmen der WHKT-Vollversammlung verabschiedeten die Mitglieder im Oktober 2020 eine Grundsatzposition, die das Ehrenamt im Handwerk stärkt und seine Leistungen so anerkennt, dass sie sichtbarer werden | Download der Grundsatzposition > 
  • Einmal im Jahr findet der Treffpunkt Ehrenamt des Handwerks in NRW in Raesfeld statt. Im September 2020 mit dabei: Wirtschaftsminister Pinkwart, der das Format finanziell fördert und im Rahmen der Veranstaltung den jährlichen Ehrenamtspreis des Ministeriums an eine Handwerkerin oder einen Handwerker überreicht. Der Treffpunkt Ehrenamt 2021 ist bereits in Vorbereitung. | www.ehrenamt-handwerk-nrw.de 
  • Damit Ehrenamtliche im Handwerk in NRW zusätzliche Unterstützung erhalten und gerade der Einstieg ins Ehrenamt zukünftig leichter fällt, befindet sich eine Ehrenamtsakademie des Handwerks in NRW aktuell im Aufbau. 
  • Portraits, Meinungen und mehr von Ehrenamtlichen im Handwerk, ihren Erfahrungen und wie es sich anfühlt, sich für andere, für seinen Beruf und seine Leidenschaft einzusetzen. | www.ehrensache-online.de > Portraits
  • In zwei Studien hat der WHKT mit finanzieller Unterstützung des NRW Wirtschaftsministeriums die Bedeutung des Ehrenamts für das Handwerk auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite untersucht: www.ehrensache-online.de > Downloads 

Politischer Handlungsbedarf:

Individuelle Anpassungsqualifizierungen im Regelsystem ermöglichen

Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz verbunden sind auch Anpassungsqualifizierungen, um seinen jeweiligen Beruf vollständig anerkennen lassen zu können. Die Qualifizierungsbedarfe sind erfahrungsgemäß individuell unterschiedlich. Es wird keine Kursstärken geben können, um den Bedarfen gerecht zu werden und diese in Regelangeboten realisieren zu können. Deshalb ist die Individualqualifizierung ein wichtiges Instrument, das häufig durch »zieldifferentes« Ausbilden in Lerngruppen erfolgen kann. Damit gibt es diese Maßnahme dann genau einmal. 

Um dies zu realisieren, hat der WHKT ein Positionspapier unter dem Titel »Fachkräfteeinwanderung unterstützen – Handwerk stellt überbetriebliche Bildungsinfrastruktur (ÜBS-Zentren) zur notwendigen Qualifizierung bereit« erarbeitet. Kammern, Kreishandwerkerschaften, Innungen sowie Landesinnungs- und -fachverbände stehen mit ihren 115 ÜBS-Zentren als Teil der öffentlichen Bildungsinfrastruktur bereit, um Anpassungsqualifizierungen für Einwanderer anzubieten. Eine weitere Kernaussage des Positionspapiers: Um die Individualqualifizierung realisieren zu können, bedarf es zwingend einer notwendigen Lösung, und zwar entweder zur Förderung des Bildungsangebotes ohne AZAV-Zertifizierung durch die Arbeitsverwaltung oder zur Finanzierung dieses speziellen Bildungsangebotes durch einen Sonderfonds, bereitgestellt durch Bund oder Land.

Das Positionspapier ist erhältlich beim WHKT per Mail (martina.scharla@whkt.de) oder auf der Website des WHKT unter www.whkt.de/positionen/.

UN, EU und vor Ort:

Klimapolitische Stellschrauben überall

Am 11. Dezember 2020 hat sich der Europäische Rat, also die EU-Staats- und Regierungschefs, auf ein neues Emissionsminderungsziel für den Zeitraum bis 2030 geeinigt. Die Treibhausgasemissionen sollen um mindestens 55 % im Vergleich zu 1990 sinken. Die Einigung zu diesem Zeitpunkt war politisch bedeutsam, weil sich die Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens am 12. Dezember 2020 zum fünften Mal jährte und das Abkommen eine turnusmäßige Überprüfung vorsieht. Entsprechend war die EU aufgefordert, einen angepassten Beitrag für den Zeitraum bis 2030 vorzulegen.

Von diesem Prozess zu unterscheiden sind die Verhandlungen zum EU-Klimagesetz. Im Gesetzgebungsverfahren kann der Rat allein das Ambitionsniveau nicht bestimmen. Erforderlich ist eine Einigung von Rat und Europäischem Parlament. Das heißt, das Klimagesetz könnte am Ende eine andere Prozentzahl vorsehen als »mindestens 55 %«, denn das Europäische Parlament fordert eine Anhebung auf 60 %. Für Handwerksunternehmen ist das Gesetzgebungsverfahren von besonderer Bedeutung. Von seinem Ausgang hängen Folgeänderungen ab, die sich quer durch fast alle Politikbereiche ziehen.

Rechtsänderungen sind aber nicht alles, denn Gesetze allein können die wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformation nicht erreichen. Es braucht Umsetzer auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene. In Anerkennung dieses Umstands hat die Europäische Kommission am 9. Dezember 2020 die Initiative »Klimapakt« vorgestellt. Es handelt sich um eine nicht-legislative Initiative, die darauf ausgerichtet ist, an der Basis für Klimaschutz zu sensibilisieren, bestehende Initiativen sichtbar zu machen, sie europaweit zu verzahnen und zu stärken.

Der Klimapakt bietet thematisch vielfältige Anknüpfungspunkte für das Handwerk, sich als Umsetzer der Klima- und Energiewende zu positionieren, zum Beispiel in den Bereichen grüne Mobilität, grüne Gebäude und »green skills«. Gewünscht ist die Zusage von Klimaschutzbeiträgen (»pledges«) und die Vorstellung guter Beispiele. Außerdem können sich Einzelpersonen und Vertreter von Organisationen als Klimabotschafter bewerben.

Die Europäische Kommission hat eine Internetseite zum Klimapakt aufgesetzt. Nähere Informationen zur Initiative sind unter folgendem Link im Internet verfügbar unter https://europa.eu/climate-pact/index_de.

 

Ausbildung im Beruf Gold- und Silberschmied/in:

WHKT: Fachklasse(n) unbedingt in NRW erhalten

Die ortsnahe Beschulung von Auszubildenden ist in vielen Berufen ein wesentliches Kriterium dafür, ob Kleinbetriebe ausbilden. Insofern ist der Erhalt von Fachklassen des Dualen Systems von besonderer Bedeutung, um gerade quantitativ kleine Berufe, manche sprechen auch von seltenen oder von Splitter-Berufen, zu erhalten.

Aktuell sind zwei von drei Beschulungsstandorte im Beruf Gold- und Silberschmied/in in NRW gefährdet, da demographisch bedingte Rückgänge der Auszubildendenanzahl die Fachklassen schrumpfen läßt. Der WHKT-Arbeitskreis Berufsbildung hat sich mit dem Thema näher befasst und setzt sich intensiv dafür ein, dass mehrere Standorte, perspektivisch zumindest ein Standort in Nordrhein-Westfalen erhalten bleibt. Dies hat dann i. d. R. zur Folge, dass Berufsschulunterricht in Wochenblöcken angeboten werden muss, damit die Auszubildenden aus allen Landesteilen die Chance haben, am Unterricht teilzunehmen. Der sog. Flexibilisierungserlass des Landes kann bei dem Erhalt von Fachklassen mit verschiedenen Optionen helfen. Hierzu plant der WHKT im neuen Jahr gemeinsam mit dem Schulministerium konkrete Beispiele aus dem Land zusammenzustellen.

ValiKom Transfer:

Positive Jahresbilanz trotz Corona

Das aktuelle Jahr von ValiKom Transfer war geprägt vom Corona-Virus. Das Projekt hat sich schnell an die neuen Umstände angepasst. Die Digitalisierung hat dabei eine zentrale Rolle gespielt. 

Nachdem der WHKT im Januar der Enquete-Kommission »Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt« die Vorteile der Validierung von beruflichen Kompetenzen im Bundestag noch in Präsenz vorstellen konnte, wurden die meisten Veranstaltungen in den folgenden Monaten digital abgehalten. 

Viele Informationsveranstaltungen der Kammern beispielsweise, die dazu dienen, das Verfahren Unternehmen und anderen Interessenten vorzustellen, wurden in den digitalen Raum verlegt. Genau wie die internen Sitzungen der Projektgremien, die alle Beteiligten ausschließlich über den Bildschirm zusammenkommen ließen.

Der Lockdown im März hat einige Kammern dazu bewegt, Beratungsgespräche per Video-Chat durchzuführen. Eine Behelfslösung, die allerdings überhaupt erst ein Weiterführen der Validierungsverfahren möglich machte und gut funktioniert hat. Auch Berufsexperten, die für die Leistungsbewertung der Teilnehmenden zuständig sind, konnten online geschult werden. 

Neben dem vorherrschenden Corona-Thema und seinen Auswirkungen gibt es aber noch andere nennenswerte Ereignisse aus diesem Jahr. Das Forschungsinstitut für Berufsbildung im Handwerk (FBH), welches das Projekt wissenschaftlich begleitet, hat erste Zwischenergebnisse seiner Evaluation vorgestellt. Dabei ging es um die Beschreibung der Teilnehmenden und den Nutzen des Verfahrens aus deren Perspektive. Erkenntnisse, die für die Etablierung des Validierungsangebots von großer Bedeutung sind. 

Auch hinsichtlich der angebotenen Berufe konnten in 2020 Fortschritte erzielt werden. Mit dem Kfz-Mechatroniker/in ist ein gefragter Beruf neu hinzugekommen. Sieben bereits bestehende Tätigkeitsprofile wurden zudem mit dem zuständigen Verband DEHOGA überarbeitet. 

Im letzten Quartal wurde verstärkt das Thema Öffentlichkeitsarbeit in den Fokus genommen. Das Projekt ValiKom Transfer ist seit November unter dem Begriff »Validierungsverfahren« mit eigenen Kanälen in den Sozialen Medien vertreten. Auf Facebook, Instagram, Xing und LinkedIn wird das Projekt in regelmäßigen Beiträgen vorgestellt und soll so noch mehr potentielle Teilnehmende erreichen. Ein Schritt, der gerade in Zeiten von Corona helfen soll, die eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten aufzufangen.

Insgesamt ist die Bilanz positiv mit 443 Verfahren, die in diesem besonderen Jahr durchgeführt werden konnten (714 abgeschlossene Verfahren seit Beginn des Projekts ValiKom Transfer). 

An dem Verbundprojekt ValiKom Transfer sind elf Handwerkskammern, 17 Industrie- und Handelskammern, zwei Landwirtschaftskammern, das Forschungsinstitut für Berufsbildung im Handwerk (FBH) sowie der WHKT beteiligt. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Weitere Informationen unter www.validierungsverfahren.de.

Anerkennung ausländischer Abschlüsse:

Zahlen an durchgeführten Qualifikationsanalysen gestiegen

Im vergangenen Jahr 2019 wurden laut amtlicher Statistik und Berechnung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) insgesamt 252 Qualifikationsanalysen gemäß § 14 BQFG in bundesrechtlich geregelten Berufen durchgeführt. Schon im Jahr 2018 war mit 264 durchgeführten »sonstigen Verfahren« im beruflichen Anerkennungsverfahren die Anzahl ähnlich hoch. 

Der überwiegende Teil an Anträgen auf Gleichwertigkeitsfeststellung mit einem deutschen Referenzberuf wird auf Basis der eingereichten Dokumente entschieden. Mit Inkrafttreten des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes im Jahr 2012 hat der Gesetzgeber jedoch auch jene Fälle berücksichtigt, in denen Antragstellende unverschuldet keine oder nicht ausreichende schriftliche Belege über ihre ausländischen Berufsqualifikationen vorlegen können. In diesen Fällen ersetzt die Kompetenzfeststellung über eine Qualifikationsanalyse (QA) das schriftliche Dokument. 

Vor allem Drittstaatsangehörige haben in 2019 eine QA im Rahmen des Gleichwertigkeitsfeststellungsverfahrens durchlaufen. Dabei liegen die Ausbildungsstaaten Syrien, Bosnien und Herzegowina sowie der Iran vorne. Allerdings stellen EU-Bürger/innen, Angehörige eines Staates des EWR sowie Schweizer/innen im selben Jahr rund 30 % der Teilnehmenden an Qualifikationsanalysen. Die QA findet vor allem bei Anerkennungen in Berufen des Handwerks sowie in Industrie und Handel Anwendung. Die Top 3 Berufshauptgruppen sind Mechatronik-, Energie- und Elektroberufe, Maschinen- & Fahrzeugtechnikberufe, gefolgt von nichtmedizinischen Gesundheits-, Körperpflege- & Wellnessberufen sowie Medizintechnik.

Insgesamt wurden von Anfang 2012 bis Ende 2019 1.116 Qualifikationsanalysen von zuständigen Stellen durchgeführt. Sicherlich ist in 2020 aufgrund der Corona-Pandemie mit einem – zumindest leichten – Rückgang der Zahlen zu rechnen. Die QA ist für alle dualen, nicht-reglementierten Berufe vorgesehen, so auch in den entsprechenden Agrarberufen sowie in den freien Berufen. 

Das BMBF-geförderte Verbundprojekt »Netzwerk Qualifikationsanalyse« bietet zuständigen Stellen Expertise, Vernetzung und finanzielle Förderung von Qualifikationsanalysen. »NetQA« wird fachlich über den Westdeutschen Handwerkskammertag gesteuert. Die Gesamtkoordination erfolgt über das BIBB. Informationen zum Projekt »NetQA« finden Sie unter www.whkt.de/netqa.

Projekt Berufliche Bildungslotsen:

Berufsorientierung in Zeiten von Corona

Die vertiefte Berufsorientierung ist insbesondere in Pandemiezeiten mit Kontaktreduzierungen sehr wichtig. Der WHKT hat sich beim Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW und der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2020 intensiv dafür eingesetzt, das Projekt Bildungslotsen um mindestens ein Jahr fortzusetzen. Die Entscheidung ist positiv getroffen: Es wird um ein weiteres Jahr verlängert.

»Wie kommst du eigentlich mit deinen Kollegen klar?« oder »Was verdienst du denn in der Ausbildung?« – typische Fragen, die Ausbildungsbotschaftern gestellt werden. Ausbildungsbotschafter sind Azubis, meist im 2.oder 3. Lehrjahr, die vor Schulklassen von ihrem Ausbildungsberuf, der dualen Ausbildung und ihrem Alltag im Betrieb berichten. Für diese Schuleinsätze werden sie von Beruflichen Bildungslotsen im Vorfeld geschult. 2019 ging das Projekt »Potentiale entdecken und entwickeln« mit etwa 45 Bildungslotsen, die bei den Kammern ansässig sind, an den Start. Es wendet sich in erster Linie an Schüler/innen, die beruflich noch wenig orientiert sind und unterstützt sie dabei, konkrete berufliche Ziele zu entwickeln. Neben dem peer-to-peer-Ansatz der Ausbildungsbotschafter führen die Bildungslotsen auch persönliche Orientierungsgespräche, um auf die individuelle Situation der Schüler/innen einzugehen. 

Wie erwartet lief das Jahr 2020 sehr gut an, bis Anfang März anfangs vereinzelt, dann immer häufiger Termine von Schulen abgesagt wurden. Mit der Schulschließung Mitte März brachte die Corona-Pandemie das Projekt dann zunächst völlig zum Erliegen. Die Bildungslotsen nutzten die Zeit, um ein Konzept zur digitalen Umsetzung des Angebots zu entwickeln: Orientierungsgespräche sollten alternativ per Telefon oder Videotelefonie angeboten werden und auch die  Vorträge der Ausbildungsbotschafter könnten  per Videokonferenz-Tools stattfinden, ohne ihren interaktiven Charakter zu verlieren. Der Vorteil: Die digitalen Alternativen waren ebenso für den Homeschooling-Bereich geeignet, denn bis zu den Sommerferien war ein regulärer Unterrichtsbetrieb ausgeschlossen.

Die digitalen Angebote wurden daraufhin massiv beworben, was bis zu den Sommerferien allerdings nur zu wenigen konkreten Einsätzen führte, da der Großteil der Schulen fast ausschließlich mit der Organisation des schulischen Betriebsablaufs und des Homeschoolings sowie mit dem Nachholen von Unterrichtsstoff beschäftigt war. Teilweise scheiterten digitale Einsätze auch aufgrund der fehlenden technischen Infrastruktur an Schulen, Unsicherheiten im Umgang mit Videokonferenz-Tools oder Datenschutzfragen.

Nachdem sich in den Sommerferien, leider wie erwartet, nur wenige Schüler/innen aus eigener Motivation heraus an die Bildungslotsen wandten, nahm das Projekt nach den Ferien langsam wieder Fahrt auf. Im Rahmen der entwickelten Hygienekonzepte konnten wieder mehr und mehr Präsenzeinsätze an den Schulen stattfinden und auch die digitalen Alternativen wurden genutzt. Die starke Nachfrage bis zu Beginn der  Herbstferien zeigte deutlich, wie hoch der Bedarf an beruflicher Orientierung ist und wie sehr die Corona-Pandemie diesen Bereich getroffen hat. So hatten bspw. viele Schüler/innen keine Chance, ein Praktikum durchzuführen. Durch strenge Hygienekonzepte war Schüler/innen der Zutritt zu vielen Betrieben über lange Phasen hinweg verwehrt, gleichzeitig waren viele Unternehmen nur in Notbesetzung vor Ort. Allein das Thema Praktikum führte im Herbst zu zahlreichen – proaktiven – Anfragen von Schulen. Der dringende Wunsch: Den Schüler/innen im Nachgang zum beruflichen Orientierungsgespräch noch die Möglichkeit eines Praktikums zu verschaffen. Hier hatte das Handwerk einen leichten Vorteil, da im Bereich der IHKn viele, insbesondere große Unternehmen aufgrund sehr strikter Regelungen auf unbestimmte Zeit keinerlei Praktika anbieten.

Mit den extrem steigenden Corona-Fallzahlen nach den Herbstferien stieg auch wieder die Zahl der Terminabsagen. Dieses Mal nicht nur von Seiten der Schulen, sondern auch von Seiten der Betriebe, die ihre Azubis nicht mehr zu Schuleinsätzen schicken wollten. Dennoch gab es auch in dieser Situation Schulen, die dankbar waren, dass die Bildungslotsen weiterhin zur Verfügung standen, da sie ihren Schüler/innen unbedingt noch ein Angebot zur Berufsorientierung machen wollten, so dass letztlich noch einige Einsätze, sowohl digital als auch im Präsenzformat, stattfinden konnten. Insgesamt konnten bis Stand Ende November mehr als 16.000 Schüler/innen erreicht werden (in 2019 insgesamt 30.000), so dass das Ergebnis des zweiten Projektjahres durchwachsen, vor dem Hintergrund der zu bewältigenden Hürden dennoch positiv zu betrachten ist.

In den Gesprächen mit Schüler/innen tauchten in diesem Jahr Fragen auf, die in dieser Form noch nie gestellt wurden: »Erhalten Azubis auch Kurzarbeitergeld?« oder »Ist mein Wunschberuf eigentlich systemrelevant?« Die Berufsorientierung und das Werben für die duale Ausbildung werden 2021 weiterhin von größter Bedeutung sein und darüber hinaus um neue Fragen einer verunsicherten Generation erweitert werden – eine Herausforderung, der sich auch die Beruflichen Bildungslotsen stellen dürfen.

Das Projekt »Potenziale entdecken und entwickeln« ist Bestandteil des Landesprogramms »Kein Abschluss ohne Anschluss« und wird gefördert mit Beteiligung der Regionaldirektion NRW der Agentur für Arbeit. Am Projekt beteiligen sich die Handwerkskammern in Aachen, Bielefeld, Dortmund, Köln, Südwestfalen und Münster sowie die Industrie- und Handelskammern in Aachen, Bielefeld, Bonn, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Hagen, Köln, Siegen und Wuppertal sowie der Bauindustrieverband NRW. Die zentrale Projektkoordination liegt bei der Landes-Gewerbeförderungsstelle des nordrhein-westfälischen Handwerks (LGH).

IQ Netzwerk NRW:

Digitalisierungsschub bei Schulungen, Veranstaltungen und Beratungen

Das mobile Schulungsteam des IQ Netzwerks NRW ist ein gefragter Ansprechpartner für Schulungen, Veranstaltungen und Beratungen zu Themen der beruflichen Anerkennung und aufenthaltsrechtlichen Fragen im Kontext von Fachkräfteeinwanderung. Daher war es wichtig, auch während der Corona-Pandemie das Schulungs- und Veranstaltungsangebot aufrecht zu erhalten. Gelungen ist dies durch einen Mix aus virtuellen, hybriden und klassischen Präsenzveranstaltungen. Die 28 bereits durchgeführten Schulungen und Veranstaltungen mit rund 400 Teilnehmenden übersteigen schon jetzt die selbst gesteckten Ziele. Das Beratungsangebot, bislang ausschließlich per Telefon und Mail durchgeführt, gewann als zusätzlichen Kanal den Videochat hinzu.

Die erfolgreichen virtuellen und hybriden Angebote werden auch nach der Corona-Krise weitergeführt. Für Interessierte an Schulungen und Informationsveranstaltungen steht eine Checkliste zur Ermittlung des Bedarfs zur Verfügung, die helfen soll, ein möglichst maßgeschneidertes Angebot auf den Weg zu bringen.

Speziell die Expertise an den Schnittstellen von beruflicher Anerkennung und aufenthaltsrechtlichen Fragen führte zu bislang mehr als 140 durchgeführten Beratungen von Unternehmen und Beratenden. Insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen zeigten sich interessiert für die Unterstützung in diesen Sachgebieten. Für Unternehmen im Gesundheitswesen steht als zusätzliches Unterstützungsangebot bereits die PDF-Broschüre FAQ »Pflegekräfte aus dem Ausland für NRW« zur Verfügung. 

Das Förderprogramm »Integration durch Qualifizierung (IQ)« zielt auf die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Erwachsenen mit Migrationshintergrund ab. Das Programm wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und den Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert. Partner in der Umsetzung sind das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Bundesagentur für Arbeit (BA).